hitcounter rasum: Naive Studenten – oder naive Journalisten?

24 Juli 2006

Naive Studenten – oder naive Journalisten?

Alle Jahre wieder liest man in der Zeitung oder im Internet, eine gesamteuropäische Umfrage unter Studienabgängern hätte ergeben, diese würden am liebsten bei Grossunternehmen arbeiten. Unternehmen mit illusteren Namen wie Nestlé, Nokia, Novartis.

Bisweilen wird kurz darüber spekuliert, warum grosse Firmen attraktiver seien als kleine. Sind’s die höhern Löhne? Die besseren Karrieremöglichkeiten? Oder prahlt sich’s damit besser, wenn man bei einer bekannten grossen Firma arbeitet? Am Ende der Lektüre mag man für sich denken, die Studenten seien naiv, karrieregeil oder super-eitel. Haben halt auch noch keine Erfahrungen und kommen dann schon auf den Boden der Realität, wenn sie erst arbeiten müssen.

Da ich berufeshalber auf verlässliche Umfrageresultate angewiesen bin, mache ich bei Umfragen eigentlich immer mit, selbst wenn sie haarsträubend schlecht gemacht sind, was leider bei sehr vielen der Fall ist. Den betreffenden Fragebogen (oder war's ein Vorläufer? Ich bin mir über die Identität nicht ganz im Klaren) wurde mir während des Studiums auch zwei-dreimal zugeschickt. Ich habe mich aber nur einmal bis zum Ende durchgekämpft.

Der Teil, auf den sich die Presseberichte stützen, wird durch eine Frage eingeleitet, die in etwa so lautet: „In welcher der folgenden Firmen würden Sie gerne arbeiten?“ Dann folgt eine Liste mit mindestens 100 Firmen, von denen man natürlich die meisten kennt, aber eben nicht alle. Der Befragte kreuzt sich dann mal durch, bevor er in der nächsten Frage aufgefordert wird, drei Firmen zu wählen, für die er am liebsten arbeiten würde. Danach folgen noch zirka drei Seiten Fragebogen, wo man haargenau angeben muss, aus welchen Gründen man die drei Firmen gewählt hat. Ist dort das Arbeitsklima sehr gut, gut, mittel, schlecht, sehr schlecht; ist die interne Weiterbildung sehr gut, gut, mittel,…; werden hohe Löhne gezahlt? ist die Arbeit abwechslungsreich? wird auf interne Anregungen eingegangen? sind die Arbeitsplätze ergonomisch ausgestaltet? etc. etc. beinahe ohne Ende.

Gewissenhaft könnte das wohl nur beantworten, wer sein halbes Leben in der Firma verbracht hätte. Es sind aber drei Firmen! Bestenfalls hat man in der einen oder anderen ein Praktikum gemacht (aber vielleicht möchte man sie gerade darum nicht in die engere Auswahl nehmen). Vielleicht hat ein Freund erzählt, wie es sich in der Firma arbeitet. Möglicherweise hat man auch bloss an einem Kontaktgespräch teilgenommen. Selbst der Gewissenhafteste wird hier die Umfrage abbrechen. Oder er kreuzt sich noch etwas wirr durch die Fragen, weil ein Wettbewerbspreis winkt und er sich denkt, er sei wohl der einzige, der bis zum Schluss durchhält.

Wie bei vielen Studien liegt das Hauptproblem in der Interpretation. Es ist ganz klar, dass bekannte Firmen – gerade wenn es sich um Markennamen handelt – in einer solchen Umfrage besser abschneiden als mittelgrosse oder gar kleine Unternehmen. Wer kennt (und wählt) schon felco, wenn er nicht gerade Hobby-Gärtner ist? Was sich aus den Resultaten bestenfalls herauslesen lässt, ist, ob Daimler-Chrysler attraktiver ist als BMW, UBS beliebter als CS, Novartis gefragter als Roche.

Wollte man wirklich eine Aussage über die Idealgrösse von Arbeitgebern aus Studentensicht machen, müsste man direkt fragen, z.B. „Wie viele Personen sollte das Unternehmen, in dem Sie künftig arbeiten möchten, beschäftigen?“ Antworten: bis 100, 100-1000, mehr als 1000, egal. Ich wette, „egal“ würde gewinnen.

1 Kommentare:

At Donnerstag, 10 August, 2006, Anonymous Anonym said...

Oh Du hast wieder was geschrieben, ich freue mich! Kann alle Beobachtungen nur bestätigen. Mache bei einem online Panel mit. Wundere mich immer wieder, dass bei den meisten Umfragen keine "weiss nicht" Option vorhanden ist.

50. Sehr dezidiert.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home