hitcounter rasum: Die rosarote Brille der Politiker

11 November 2005

Die rosarote Brille der Politiker

Meine lokale Gratiszeitung hat 22 mehr oder weniger bekannte Leute aus der Region nach ihrer Prognose für das Fussballspiel Schweiz – Türkei vom 12. November befragt. Wie es sich für eine solche Umfrage geziemt, fällt die Durchschnittsprognose mit 1.64 : 0.95 klar zugunsten der Schweizer aus.

Aufgefallen ist mir, dass das eindeutige Ergebnis nicht zuletzt den sieben befragten Lokalpolitikern zu verdanken ist: Diese prognostizieren durchs Band weg einen Schweizer Sieg (mit durchschnittlichem Torverhältnis 2 : 0.86). Die sechs Personen aus dem Sport zeichnen dagegen ein differenzierteres Bild (1.33 : 1), nur die Hälfte geht von einem Sieg aus.

Der Unterschied ist symptomatisch. Politiker haben grundsätzlich Mühe, den Leuten klaren Wein einzuschenken. Der Grund liegt in der banalen Erkenntnis, dass der Zorn der Angesprochenen sich nicht selten gegen den Überbringer schlechter Nachrichten richtet.

Wie gern glaubte jeder, dass das Wirtschaftswachstum in Zukunft alle Finanzierungsprobleme des Sozialstaats lösen wird? Politiker, die schon jetzt darüber diskutieren wollen, welche Leistungen die AHV in Zukunft noch wird ausrichten können, mindern ihre Chancen auf eine Wiederwahl. Dabei wäre eine Prognose einfacher zu machen als im Fall eines Fussballspiels.

Politiker zeichnen nur dann realistische Szenarien, wenn sie nicht mehr von der Wählergunst abhängen, wie beispielsweise BR Couchepin. Dabei wäre es im Sinne der individuellen Planung der Altersvorsorge wichtig, dass längerfristig unumgängliche Massnahmen frühzeitig angekündigt würden. Leider ziehen es viele Wähler vor, wenn ihnen Medien und Politiker eine rosarote Brille aufsetzen. Solche Wähler tragen damit eine Mitschuld, wenn Politiker unerfüllbare Versprechen machen.

5 Kommentare:

At Sonntag, 13 November, 2005, Anonymous Anonym said...

Ganz meiner Meinung, Rasum. Du sprichst wie aus meinem Herzen, aber ich haette es nicht so gut formulieren koennen. Dass die rosarote Brille im Falle des Fussballs recht hatte, liegt im Zufallsbereich. Sportexperten und andere Noergler lagen zufaelligerweise falsch. Was die AHV anbetrifft gibt es ausser Politikern noch andere "Experten" in der Bundesverwaltung. Aber eben - es nuetzt nichts wenn man klare Voraussagen machen koennte und gleichzeitig die rosarote Brille des Sozialromantikers auf hat.

 
At Sonntag, 13 November, 2005, Anonymous Anonym said...

"Die rosarote Brille" => A good German vocabulary lesson for me.

I need my own rose-colored glasses myself to survive my German class.
:-)

Sorry, my German is still not advanced to understand fully your very insightful article.

 
At Sonntag, 13 November, 2005, Blogger CAK said...

@mwm: Merci für Deinen Kommentar. Das Beispiel war natürlich etwas risikoreich - tatsächlich haben die Schweizer ja gewonnen, aber wie Du richtig feststellst, ist dies eigentlich völlig irrelevant da nicht vorhersehbar. Und im Falle der Altersvorsorge werden wir schwerlich gewinnen können. (Hatte schon befürchtet, ich würde nun mit "Ätsch"-Kommentaren eingedeckt...)

@jayred: In the coming foggy winter days you'll certainly need your glasses!

 
At Freitag, 18 November, 2005, Anonymous Anonym said...

Stimme dem zu, man sagt ja auch, jedes Volk habe die Regierung, die es verdient... Couchepin schenkt in der Tat klaren Wein ein. Die Frage ist, ob er dies auch ein wenig diplomatischer machen könnte. Wenn es darum geht, z.B. den Umwandlungssatz der 2. Säule zu senken, könnte man dies vielleicht anders formulieren: es ist wichtig, die finanziellen Perspektiven der zweiten Säule zu sichern und damit auch die Zukunft der Schweiz zu verbessern, etc.etc. und leider kommt dies halt nicht gratis. Das Problem ist die allgemeine Verunsicherung. Die Wähler wollen hören, dass man die Lage im Griff hat. Ich denke, wenn man das Talent besitzt, die Dinge im rechten Licht präsentieren zu könnnen, können Wahrheiten einfacher und politisch effizient kommuniziert werden. Es geht nicht um Manipulation, sondern darum, das woran man wirklich glaubt auch glaubwürdig kommunizieren zu können, mit Rücksicht auf die Prioritäten der Wähler, nicht den Demagogen das Feld von vorneherein zu überlassen. Ich glaube leider nicht, dass es unter (nicht-demagogischen) Schweizer Politikern viele Kommunikationstalente gibt.

 
At Sonntag, 20 November, 2005, Blogger CAK said...

Du hast wohl recht, wahrscheinlich fehlt es in der Schweiz an begnadeten Kommunikatoren. Ich bin auch völlig der Meinung, dass Couchepin diese Eigenschaft völlig abgeht. Immerhin muss man ihm zugute halten, dass er die Diskussion angeregt hat, was grundsätzlich nur von Nutzen sein kann.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home