hitcounter rasum: Kleinerer Grosser Rat ist teurer

15 Juni 2005

Kleinerer Grosser Rat ist teurer

«Zum Glück gibt's bei uns keine Zürcher SVP», denkt man als Berner jeweils, wenn die gehässigen, oft an der Grenze zum Rassismus stehenden Abstimmungskampagnen der Blocher-Partei laufen. Da zieht man denn doch die Behäbigkeit der heimischen SVP-Sektion vor und ist versucht, über deren Rolle als Bremserin des Strukturwandels hinwegzusehen.

Doch diese Woche hätte man sich wieder einmal eine Sektion West der Zürcher SVP gewünscht: Die Grossräte befanden über ihren künftigen Lohn. Manch Berner Staatsangestellte, der sich in letzter Zeit kaum über Lohnerhöhungen freuen konnte, mag gestaunt haben: Nicht nur gönnten sich die Vertreter dieses finanzschwachen Kantons eine Erhöhung der Sitzungsgelder um satte 12.5% von Fr. 240 auf 270, daneben reichte es auch noch für die Einführung von Pauschalentschädigungen verschiedenster Art.

Das hehre Ziel der Erhöhungen heisst Professionalisierung des Parlaments, das künftig nur noch 160 statt 200 Mitglieder (-20%) umfasst. Wer je gedacht hat, dass die Verkleinerung eine (wenngleich bescheidene) Sparmassnahme bildet, sieht sich jedenfalls getäuscht, steigen doch die Kosten des Parlaments durch die beschlossenen Massnahmen um Fr. 400'000.- Es wäre ja auch naiv gewesen zu meinen, die von allen Parteien unterstützte Verkleinerung würde Steuern sparen!

Professionalisierung bedeutet Hinwendung zum Technokratentum und weitere Entfremdung vom steuerzahlenden Bürger. Die Folge: Da der Wähler die Grossräte des eigenen Wahlkreises nicht mehr persönlich kennt, wählt er in der Not diejenigen, die das meiste für die eigene Region herausgeholt haben. Der Abbau von Subventionen und anderer kleinen Geschenke, die die Verbundenheit mit dem Wahlkreis erhalten, ist damit vollständig illusorisch geworden.

Sind professionellere Parlamentarier wenigstens wirtschaftspolitisch beschlagen? Ein Blick über die Grenzen lässt Zweifel aufkommen. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass – abgesehen von den rhetorischen Fähigkeiten – deutsche Bundestagsabgeordnete ökonomisch schlüssiger argumentierten als ein durchschnittlicher Grossrat des Kantons Bern. Zudem: Wäre Professionalität derart erstrebenswert, so müsste die Direkte Demokratie wohl schleunigst aufgegeben werden.

Aufgabe eines Parlamentes wäre zu «parlieren», d.h. neue Gesetze anzuregen und Gesetzesvorlagen kritisch zu prüfen und entweder zurückzuweisen oder (unter Umständen in verbesserter Form) abzusegnen. Dazu ist weniger «Professionalität» als vielmehr und vor allem gesunder Menschenverstand gefragt. Ein Milizparlament soll aus politisch interessierten, unabhängigen Personen bestehen, die die Vielfalt der Meinungen in einem Staatswesen abbilden. Profis sind in der Regierung und in der Verwaltung an der richtigen Stelle.

Zurück zu den Mehrausgaben des «Kleinen Rates»: In einem Kanton mit einer knappen Million Einwohner sind Fr. 400'000.- nicht viel: Aber symptomatisch für den Zustand der Berner Politik ist das Abstimmungsverhalten allemal. Einzige Opposition kam von der FDP, allerdings ist diese inzwischen schwach geworden: in der Endabstimmung stimmten gerade mal 9 (von 200) Grossräten gegen die neuen Entschädigungen!

Wie zu erwarten war, hat die Ablehnung der Steuersenkungsinitiative der FDP vor vier Monaten dazu geführt, dass die Ausgabenfreude der Politiker wieder zunimmt. Dabei werden die Politiker von den (quasi monopolistischen) Berner Medien brav sekundiert. So liest man etwa im «Bund», dass die Entschädigung für gute Arbeit nicht übertrieben sei. Diesbezüglich habe es in der Vergangenheit gemangelt, wie das komplette Versagen der Aufsichtspflicht im Fall der Lehrerpensionskasse gezeigt habe. Wie bitte? Man denke an die Entrüstung der Medien, wenn in der Privatwirtschaft ein Verwaltungsrat die Erhöhung seiner Bezüge beschlösse, der seine Kontrollfunktion vorher jahrelang vernachlässigt und die Firma beinahe in den Konkurs getrieben hätte…

Was dem Kanton Bern not tut, ist eine schlagkräftige Oppositionspartei, die sich konsequent für die Interessen der Steuerzahler einsetzt. Das Fehlen einer solchen muss man nach dem Grossratsbeschluss erneut konstatieren. Das – und nicht die Fr. 400'000 zusätzlicher Ausgaben – ist, was für die Zukunft des Kantons nachdenklich stimmt. Den kleinen Rat haben wir nun, den teuren auch, auf den guten müssen wir in Bern wohl noch eine Weile warten.