hitcounter rasum: Exportartikel Direkte Demokratie

16 Juni 2005

Exportartikel Direkte Demokratie

Schon lange hat keine schweizerische Volksabstimmung mehr international eine derart starke Resonnanz gefunden wie der vergangene Urnengang zum Beitritt zu Schengen/Dublin. Dass die EU-Länder nach dem Fiasko in Frankreich und in den Niederlanden das Ergebnis zur Kenntnis nehmen würde, war noch zu erwarten. Besonders überrascht hat mich aber, dass die Abstimmung in der Schweiz offenbar auch in Russland ein Thema gewesen ist.

Jedenfalls bekam ich bald nach der Abstimmung ein E-Mail einer russischen Bekannten. Sie meinte, die Schweizer Abstimmung wäre in Russland mit grösster Aufmerksamkeit verfolgt worden. Dasselbe lese ich heute in einem Leserbrief in der NZZ. Eine kurze Eigabe in google.ru zeigt, dass tatsächlich nahezu alle Medien, also auch lokale Zeitungen und das Fernsehen, darüber ausführlich berichtet haben.

Das scheint mir schon bemerkenswert, zeigen doch gerade grosse Länder (aus verständlichen Gründen) in der Regel wenig Interesse an der Politik von Kleinstaaten. Aber eine Volksabstimmung ist natürlich immer etwas Spektakuläres (auch wenn man das in der Schweiz selten so wahrnimmt, weil man sich daran gewöhnt hat). Es ist für ausländische Medien auch einfacher, über eine Sachfrage zu berichten als beispielsweise über Wahlen, wo zuerst das politische System, die Parteien etc. erklärt werden müssen.

Und was halten nun die Russen vom Entscheid? Gemäss dem Leserbriefschreiber und auch gemäss meiner rudimentären Web-Recherche sind sie vor allem auf die verbesserten Reisemöglichkeiten scharf, die sich für russische Touristen ergeben, wenn das Schengen-Visum auch in der Schweiz gültig ist. Entsprechend wurde in diesen Kreisen der Beitritt begrüsst. Die Steigerung der Attraktivität der Schweiz als Tourismusland war als unbestrittener Vorteil eines Schengen-Beitritts ja sogar bei vielen gemässigten Gegnern ein gutes Argument.

Aber auch in Russland scheinen nicht alle diese Einschätzung zu teilen. Meine Gewährsfrau schien jedenfalls enttäuscht. Sie meinte, die Schweiz verliere dadurch an Unabhängigkeit und gehe langsam ihrer Neutralität verlustig. Sie täte besser, wenn sie ihr Heil in der Exklusivität suchte. Massentourismus könne ja kaum ein Ziel sein; die Hauptattraktion liege doch in der Ruhe und der Sicherheit in der Schweiz, was eher Luxustouristen anspreche. (Die AUNS könnte ihre Argumente kaum besser aufgehoben wissen.) Es wäre interessant zu wissen, ob dies eher eine Aussenseiter-Meinung in Russland ist oder ob sie das Bauchgefühl vieler Leute im Land wiedergibt.

Immerhin keimt in mir die Hoffnung, dass die erhöhte Aufmerksamkeit, die die Direkte Demokratie in letzter Zeit erfahren hat, dazu führen könnte, dass der Druck des Volkes auch in anderen Ländern steigt, dem Volk mehr Mitsprache zu geben. Ohne einer Missionierung das Wort reden zu wollen - aber die Direkte Demokratie ist ein Exportartikel mit Potenzial!

2 Kommentare:

At Freitag, 17 Juni, 2005, Anonymous Anonym said...

Sehr interessant zu lesen, danke fuers mitteilen.
Ich selber habe leider keine Kontake nach Russland (mehr) und hab daher nichts davon mitbekommen.

 
At Freitag, 17 Juni, 2005, Blogger CAK said...

Ich bin auch nicht mehr so gut im Bild wie früher und war seit längerer Zeit nicht mehr dort. Aber der Leserbrief und das E-Mail haben mir gezeigt, dass in Russland offenbar ein waches Interesse dafür besteht, was in der Welt vor sich geht - für einmal eine gute Neuigkeit.

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home