hitcounter rasum: Oktober 2005

26 Oktober 2005

English vs. Français

Eine Studie der Fachhochschule Solothurn hat die Diskussion neu entfacht, welche Fremdsprache in der Schweiz als erste in der Schule gelehrt und gelernt werden soll. In einer Umfrage bei Schweizer Unternehmen wurde festgestellt, dass die Landessprachen Deutsch (in der Westschweiz sowie im Tessin) beziehungsweise Französisch (in der Deutschschweiz) in einer Mehrheit der Betriebe häufiger verwendet werden als das Englische, was vom Studienleiter und von der NZZ am Sonntag dahingehend interpretiert worden ist, dass «Englisch zweitrangig» sei.

Wie der Tagesanzeiger heute berichtet, kommt dieses Resultat (in Bezug auf die Situation in der Deutschschweiz) allerdings bloss durch eine sehr einseitige Interpretation der Resultate zustande:
  • Das Französische hat nur dann die Nase vorne, wenn der mündliche Gebrauch untersucht wird. Im schriftlichen Gebrauch, nach dem die Firmen auch befragt wurden, fällt das Ergebnis knapp zugunsten des Englischen aus.

  • Wenn man die Betriebe gemäss ihrer Grösse gewichtet, so ergibt sich ebenfalls ein anderes Resultat, da in grösseren Betrieben Englisch wichtiger ist.

  • Die antwortenden Firmen sprachen sich mehrheitlich dafür aus, dem Englische gegenüber dem Französischen den Vorzug zu geben.

Im übrigen hege ich bestimmte Zweifel, dass der Unterschied zwischen Französisch und Englisch tatsächlich statistisch signifikant ist, wie das der Studienleiter behauptet.

Schade, dass eine derart wichtige Studie durch einseitige Interpretation in Misskredit gerät, denn die Frage ist zweifellos von grosser Bedeutung. Zudem scheint mir, dass man aus der Studie tatsächlich ein Argument für Französisch als erste Fremdsprache herauslesen kann. Nur müsste man das doch etwas vorsichtiger tun.

Um nicht einen Roman zu schreiben, kurz meine Meinung zur Sprachenfrage in sechs Punkten, ausgehend von den Studienergebnissen:
  • Der Studie ist zu entnehmen, dass in vielen Deutschschweizer Betrieben regelmässig sowohl englisch wie französisch kommuniziert wird. Grundsätzlich sollte daher die Volksschule hinreichende Kenntnisse in beiden Sprachen vermitteln.

  • Die Ergebnisse zeigen, dass in vielen, tendenziell eher kleineren Unternehmen Französisch wichtiger ist als Englisch. Ebenso sei darauf hingewiesen, dass in stark auf die Schweiz fokussierten Betrieben wie SBB, Post, Swisscom, aber auch Migros und Coop innerschweizerische Kontakte wichtiger sind als internationale. Auch bei vielen Bundesbeamten und Beamten von zweisprachigen Kantonen (Wallis, Freiburg, Bern) ist die Kenntnis des Französischen unabdingbar. Im übrigen kann ich mir auch eine Armee nicht vorstellen, in der sich die Soldaten nicht verständigen können oder Anweisungen des Kommandanten nicht verstehen.

  • Englisch ist zweifellos für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft von hervorragender Bedeutung. Die meisten Berufstätigen, die internationale Kontakte unterhalten, werden vermutlich eine höhere Ausbildung als bloss die Volksschule absolviert haben. Folgerichtig zeigt die Studien, dass in eher grösseren Betrieben vermehrt englisch gesprochen und geschrieben wird.

  • Die Mehrsprachigkeit vieler Schweizer ist einer der Standortvorteile des Landes und seiner Bevölkerung. Die Schweiz darf sich nicht damit zufrieden stellen, ihren Kindern perfektes Englisch beizubringen. Damit erlangt man keinen Wettbewerbsvorteil, denn Fachkräfte, die englisch sprechen, gibt es millionen- und in Zukunft vielleicht milliardenfach. Aber wie viele Fachkräfte sprechen Deutsch, Englisch, Französisch und haben dank des Französischen kaum Probleme, Spanisch, Portugiesisch oder Italienisch zu lernen?

  • Grundsätzlich plädiere ich dafür, dass Französisch erste Fremdsprache in der Schulde sein soll, da es gerade in Berufen, die keine akademische Bildung verlangen, von grösserer Bedeutung ist als das Englische. Zudem vermute ich, dass es schwieriger ist, die Schüler für eine zweite Fremdsprache zu motivieren, wenn sie das Gefühl haben, sich mit der ersten (dem Englischen) überall durchschlagen zu können.

  • Wenn klare Evidenz vorliegt, dass aus pädagogischen Gründen Englisch vorgezogen werden sollte, wäre eine Interessenabwägung notwendig, die auch zugunsten des Englischen ausgehen könnte.